US-Blockade schlägt ins Kontor

Kubanische Regierung legt vor UNO-Abstimmung aktualisierte Schadensbilanz vor.

Im vergangenen Jahr kontaktierte Kuba eine Reihe von US-Pharmaunternehmen, wie Pfizer oder Bristol Myers Squibb, um das Medikament Temozolamida zu kaufen, das die erste Behandlungslinie für bösartige Hirntumore darstellt - bis heute ohne Antwort. Als Konsequenz daraus musste das Nationale Institut für Onkologie und Radiobiologíe für mehrere Patienten unter 15 Jahren, bei denen ein Tumor im zentralen Nervensystem diagnostiziert wurde, auf alternative Behandlungsmethoden zurückgreifen.

Dieses Beispiel listet die kubanische Regierung in ihrem alljährlichen Bericht über die Auswirkungen der US-Blockadepolitik gegenüber Kuba auf, der in diesen Tagen in Havanna vorgestellt wurde. Unter US-Präsident Donald Trump haben »die Vereinigten Staaten die Strategie der Verschärfung der Blockade und der Subversion gegen Kuba wiederaufgenommen.« Der Befund kommt nicht überraschend.

Auf 59 Seiten legt die Regierung Miguel Díaz-Canel detailliert die Beeinträchtigungen der US-Politik im kubanischen Gesundheits- und Bildungssektor dar, beschreibt die Auswirkungen auf Kultur und Sport, die Lebensmittelversorgung, den Außenhandel, Finanztransaktionen usw. Kaum ein Bereich des öffentlichen Lebens, der nicht betroffen wäre. In den fast 60 Jahren Blockade belaufe sich der Schaden durch die einseitigen Sanktionen auf gut 934 Milliarden US-Dollar, rechnet der Bericht vor. Von April 2017 bis März 2018 betrügen die Einbußen 4 321 200 000 US-Dollar und damit über vier Milliarden US-Dollar.

Die Blockade hemmt laut Regierung sowohl die Umsetzung des Nationalen Plans der Wirtschaftlichen und Sozialen Entwicklung des Landes als auch der Agenda 2030 und ihrer Ziele zur Nachhaltigen Entwicklung. Im November 2017 hatte die US-Administration neue Regularien und Verfügungen erlassen, die das von US-Präsident Trump Mitte Juni unterzeichnete »Präsidiale Memorandum zur Nationalen Sicherheit und zur Verstärkung der Politik der USA gegenüber Kuba« umsetzt. Von Barack Obama im Zuge seiner Annäherungspolitik erlassene Reise- und Handelserleichterungen zwischen den USA und Kuba wurden zum Teil zurückgenommen; der seit Ende 2015 erlaubte US-amerikanische Individualtourismus wieder beschränkt. Geschäfte mit vom kubanischen Militär kontrollierten Unternehmen wurden verboten. Das trifft auf viele Firmen im Tourismusbereich zu. So gehören der von Kubas Armee kontrollierten Holding Gaesa zahlreiche Hotels, Restaurants oder Autovermietungen. Auch laufen viele Geschäfte von US-Unternehmen auf Kuba zwangsläufig über das von einem Schwiegersohn Raúl Castros geführte Firmenkonglomerat.

Neue Sanktionen haben zu einem spürbaren Rückgang der Besucherzahlen aus den USA geführt. Vor allem die exterritorialen Auswirkungen der Blockade machen Kuba zu schaffen. So würden wirtschaftliche Beziehungen kubanischer Unternehmen mit potenziellen Partnern in den USA und in Drittländern behindert, klagt die Regierung.

Selbst Privatpersonen mit humanitären Absichten kann es treffen. Diese Erfahrung musste ein Niederländer machen. Im September 2017 verweigerte die niederländische ING Bank die Ausführung einer Überweisung auf das Konto der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba. Das Geld war als Spende für den Wiederaufbau nach den durch Hurrikan Irma angerichteten Schäden auf der Insel gedacht. Man führe keine direkten oder indirekten Tranaktionen mit bestimmten Ländern, darunter Kuba, aus, da dies gegen Bestimmungen des US-Finanzministeriums verstoße, so die Bank. Ähnlich argumentierten einen Monat später auch australische Privatbanken und verweigerten die Überweisung von Hilfsgeldern im Zusammenhang mit Wirbelsturm Irma.

In den vergangenen Jahren waren wiederholt ausländische Banken in den USA wegen Verstößen gegen Sanktionsbestimmungen zu Millionenstrafen verurteilt worden. So seien paradoxerweise nicht die Millionenschäden durch Hurrikan Irma im vergangenen Jahr »Haupthindernis für die Entwicklung des gesamten Potenzials der kubanischen Wirtschaft«, schreibt die kubanische Tageszeitung »Granma«, »sondern eine unmoralische Form, Politik zu machen: die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die die USA gegen Kuba verhängt haben.«

Neues Deutschalnd

Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 30.08.2018