Vier Millionen Exemplare

Gastland ist Kanada und Fidel Castro wird diskutiert: Morgen beginnt die Buchmesse in Havanna.

Buchmesse Havanna 2017

Die Internationale Buchmesse von Havanna versteht sich nicht als Geschäfts-, sondern als Publikumsmesse: Blick von der la Cabaña an der Hafeneinfahrt
Foto: DK/jW



Am Donnerstag wird in Havanna die 26. Internationale Buchmesse eröffnet, am traditionellen Ort auf der historischen Festungsanlage San Carlos de la Cabaña an der Hafeneinfahrt. Mit über 100 Verlagen, eine für lateinamerikanische Verhältnisse ungewöhnlich hohe Zahl, und einem vielfältigen Angebot an Zeitungen, Zeitschriften und Blogs ist Kuba ein Leseland. Die Messe versteht sich dann auch nicht als Geschäfts-, sondern als Publikumsmesse. In diesem Jahr erwartet die nach dem mexikanischen Guadalajara zweitgrößte Literaturmesse Lateinamerikas erneut Hunderttausende Besucher aus allen Teilen der Welt. Mit zahlreichen Lesungen, Veranstaltungen, wissenschaftlichen Vorträgen und einem umfangreichen Konzertangebot von HipHop bis zu klassischer Musik ist sie vor allem auch ein riesiges Volksfest.



Ein Schwerpunkt der diesjährigen Messe ist die Auseinandersetzung mit dem Leben und dem politischen Vermächtnis des am 25. November 2016 verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro Ruz. Mit dessen Einfluss und Bedeutung für Kuba, Lateinamerika und die emanzipatorischen Bewegungen in der Welt beschäftigen sich mehrere Neuerscheinungen kubanischer und internationaler Verlage. Auch ein mit Literaten, Wissenschaftlern und Politikern besetztes Forum diskutiert das Wirken des Comandante en Jefe. Ein weiterer Höhepunkt ist die Übergabe des Nationalpreises für Literatur, mit dem für das Jahr 2016 die 1950 in Havanna geborene Essayistin, Schriftstellerin und Dozentin der Universität von Havanna, Margarita Mateo Palmer ausgezeichnet wird.

Traditionell ist die Messe einer bedeutenden kubanischen Persönlichkeit gewidmet. In diesem Jahr ist es der 1930 in Havanna geborene Schriftsteller, Anwalt und Revolutionär Armando Hart Dávalos, ein 86jähriger Veteran aus der von Fidel Castro 1955 gegründeten »Bewegung des 26. Juli«. Als Erziehungsminister in der ersten Regierung nach dem Sieg der Revolution hatte der ehemalige Guerillero unter anderem die legendäre Alphabetisierungskampagne der 1960er Jahre vorangetrieben. Als deren Ergebnis nimmt Kuba seit 50 Jahren mit einer Alphabetisierungsrate von nahezu 100 Prozent im Bildungsbereich einen Spitzenplatz unter den höchstentwickelten Ländern der Welt ein. Übrigens ist Davalos auch in Deutschland kein Unbekannter. Im September 1997 war er Referent bei der »Internationalen Che-Guevara-Konferenz«, die von der jungen Welt und Cuba Sí veranstaltet wurde.

Auf der Buchmesse ist Kanada das Gastland und mit zahlreichen Verlagen und Schriftstellern präsent. Allein auf dem zentralen Veranstaltungsort auf der Festung la Cabaña sind Lesungen, Vorträge und Diskussionen mit mehr als 300 Autoren aus 37 Ländern geplant. Daneben werden im gesamten Stadtgebiet in kulturellen Einrichtungen wie dem »Pabellón Cuba« (einem Zentrum der jungen Schriftsteller des Landes), der »Casa del Alba«, der »Casa de las Americas«, dem »Kulturzentrum Bertolt Brecht«, der Universität von Havanna oder dem Schriftsteller- und Künstlerverband UNEAC, in Kinos und Theatersälen sowie auf den Straßen und Plätzen Hunderte weiterer Veranstaltungen angeboten.

Nach Ankündigung des kubanischen Buchinstitutes wollen 86 kubanische und Dutzende internationale Verlage über 700 Neuerscheinungen präsentieren. Insgesamt stehen für die Besucher vier Millionen Buchexemplare, davon die meisten zu den in Kuba stark subventionierten Verkaufspreisen von umgerechnet weniger als einem Euro in nationaler Währung (Peso Cubano, abgekürzt CUP), zur Verfügung. Die von ausländischen Verlagen angebotenen Werke sind meist nur gegen »harte« Währung (Peso Convertible, CUC) und zu den für kubanische Verhältnisse extrem hohen, international üblichen Buchpreisen erhältlich.

Die Buchmesse erwartet ihre Gäste in der Hauptstadt bis zum 19. Februar. Danach wird sie – wie jedes Jahr – von West nach Ost durch alle Provinzen des Landes ziehen, in denen es bis zum Abschluss am 16. April in Santiago de Cuba kleinere Ausgaben des Literaturfestivals gibt. Damit soll auch den Menschen außerhalb der Metropole die Möglichkeit gegeben werden, sich über die Neuerscheinungen der kubanischen Verlage zu informieren und an den zahlreichen kulturellen Begleitveranstaltungen teilzunehmen.

Weitere Informationen: www.filcuba.cult.cu Eine Übersicht der Aussteller bietet Juventud Rebelde zum Download an: www.juventudrebelde.cu/cuba/2017-02-04/la-isla-del-tesoro-2

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

junge Welt


Dieser Artikel wurde ermöglicht
durch die Abonnnentinen und Abonennenten
der jungen Welt
Dein Abo fehlt

Volker Hermsdorf

Junge Welt, 08.02.2017