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Der Kubaner Jorge Belisario geht als Held des Dokumentarfilms »Die Kraft der Schwachen« auf Deutschlandtour.

Jorgito - Die Kraft der Schwachen In seinem Dokumentarfilm »Die Kraft der Schwachen« erzählt Tobias Kriele die unglaubliche Geschichte des spastisch gelähmten Jungen Jorgito und seines Kampfes, trotz der schweren Behinderung überall dabei zu sein: in der Schule, später der Universität, in seiner Freizeit im Wohnviertel. Jorgito hat es geschafft, dazuzugehören statt ausgegrenzt zu sein. Wie dies möglich wurde, zeigt Krieles Film mit eindrucksvollen Bildern (Kamera: Martin Broschwitz). Die Soziologie nennt so etwas schlicht »gelungene Inklusion«. In einer inklusiven Gesellschaft, so die Definition, ist es normal, verschieden zu sein. Inklusion ist ein Menschenrecht, in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben, aber nur in wenigen – meist »entwickelten« – Ländern gewährleistet.

Hier beginnt der eigentlich unglaubliche Teil von Jorgitos Geschichte. Vor 21 Jahren kam er in Lateinamerika zur Welt. Den Reichtum dieses Kontinents haben multinationale Konzerne und nationale Oligarchien untereinander aufgeteilt, während die Mehrzahl der Bürger zu einem Leben in extremer Armut verurteilt ist. Inklusion ist in Ländern, die nicht einmal die medizinische Grundversorgung gewährleisten können, verständlicherweise kein Thema. Jorgitos Glück bestand darin, dass er in der kubanischen Stadt Camagüey zur Welt kam. Seit seiner Geburt kämpften die Eltern gemeinsam mit Medizinern, Pädagogen, Therapeuten, Freunden und Nachbarn für Jorge Enrique Jerez Belisario, wie Jorgito mit vollem Namen heißt. Er sollte überleben und seinen Traum vom eigenen Platz in der Gesellschaft verwirklichen können. Die Voraussetzungen für den Erfolg dieser Anstrengungen bot – trotz der krisenhaften »Sonderperiode« der 90er Jahre – das kubanische Gesundheits- und Bildungssystem.

Die Begegnung mit Jorgito verändert. Tobias Kriele beschreibt, wie er ihm vor sechs Jahren auf einer Konferenz für die »Cuban Five« in Havanna zum ersten Mal begegnete. »Durch den Gang kämpfte sich ein Junge, dem eine Lähmung das Laufen erschwerte. Den rechten Arm trug er an den Körper gepresst, die Hand eigentümlich angewinkelt. Mit dem linken Arm führte er rudernde Bewegungen aus, als suchte er Gleichgewicht. Es war, als hätte er den Widerstand seiner ungehorsamen Beine zu überwinden. Wahrend er auf die Bühne zusteuerte, warf er ab und an den Kopf in den Nacken und lachte in sich hinein, oder besser gesagt: aus sich heraus, scheinbar ohne Anlass. (…) Mit schwerer Zunge und doch gewandten Worten breitete Jorgito in wenigen Sätzen sein ganzes Leben vor uns aus. 300 Personen folgten ihm wie gebannt, als er in einer kleinen Kunstpause charmant in die Menge lachte, die zu begreifen begann, dass sie dem jungen Mann für sein Verständnis zu danken habe, nicht andersherum.«

Mittlerweile ist Jorge Belisario ein angehender Journalist, bekannter Blogger und gefragter Redner, der sich unermüdlich für die Freiheit der in den USA noch inhaftierten Mitglieder der Aufklärergruppe »Cuban Five« einsetzt. Diese Männer haben nach seiner Überzeugung für die Sicherheit der Menschen in einer Gesellschaft gekämpft, der er alles, was er heute ist und kann, zu verdanken hat. Die Solidarität, die er ihm in dieser Gesellschaft entgegengebracht wurde, ist sein großes Thema. Davon und von seiner unglaublichen Geschichte will Jorge Belisario bei der Deutschlandpremiere des Films »Die Kraft der Schwachen« am Sonntag im Berliner Babylon-Kino persönlich berichten. Bis 7. Dezember wird er den Film in neun weiteren deutschen Städten vorstellen.

»Die Kraft der Schwachen«, Regie: Tobias Kriele, BRD/Kuba 2014, 52 min,

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 21.11.2014