Der Hurrikan "Irma" und der kubanische Zivil- und Katastrophenschutz

Das Sturmtief "Irma" entstand Ende August 2017. Es war, nach den Angaben des National Hurricane Centers, welches seine Aufzeichnungen im Jahr 1898 begann, der stärkste atlantische Hurrikan außerhalb des Golfs von Mexiko und des Karibischen Meeres.

Nachdem der Wirbelsturm eine ganze Reihe von karibischen Inseln verwüstet hatte und zwei Tage lang mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 260 km/Std. von Ost nach West über Kuba gefegt war, nahm er Kurs auf die Küste der USA.

Zum zweiten Mal seit 1932 wurde die Insel von einem Hurrikan der höchsten Stufe fünf heimgesucht. Bis zu neun Meter hohe Wellen und Starkregen setzten weite Küstengebiete unter Wasser.

Die Lehren von 1963

Vier Jahre nach dem Sieg der Revolution wurde Kuba vom Hurrikan "Flora" am 04. Oktober 1963 verwüstet. Da es kein entsprechendes Sicherheits- und Evakuierungssystem gab, kostete dieser Hurrikan als mehr 1.000 Menschen das Leben.

Auf Initiative von Fidel Castro wurden die ersten Schritte zur Verringerung von Schäden durch Hurrikans, die diese Region regelmäßig heimsuchen, eingeleitet. Oberstes Ziel aller Maßnahmen war und ist die Rettung von Menschenleben. Aus diesen ersten Schritten ist inzwischen ein ausgeklügeltes System der Vorsorge geschaffen worden. Kuba verfügt heute über das beste Evakuierungs- und Rettungssystem der Welt. Dieses wurde mehrfach von den entsprechenden Untergliederungen der UNO ausgezeichnet und allen Ländern der Völkergemeinschaft als übertragbares Beispiel empfohlen.

Für die meisten Menschen in den betroffenen Gebieten, nicht nur der karibischen Inseln, sondern auch in Florida, bedeutet ein solcher Hurrikan – insbesondere einer wie "Irma" – eine Katastrophe, so etwas wie ein zur "Realität gewordener Alptraum".

Ein Hintergrund dafür ist, dass in fast allen Ländern und auch in Florida die betroffenen Menschen mehr oder weniger auf sich allein gestellt sind. Wer einen PKW und genug Geld für den Kraftstoff hat, kann sich und seine Familie in Sicherheit bringen. Wer genug Geld hat, kann sich, in einem Privatjet, für den Preis von bis zu 7.000 USD, von einer gefährdeten Insel in Sicherheit bringen lassen. Dies ist aber nur den mehr oder weniger Vermögenden möglich. Die überwiegende Mehrheit der Menschen ist weitgehend auf sich selbst gestellt.

Kuba ist anders und war vorbereitet

Das System der kubanischen Zivilverteidigung oder, um einen weniger militärischen Ausdruck zu verwenden, des kubanischen Katastrophenschutzes, ist im Laufe der Jahre und der damit verbunden Erfahrungen soweit entwickelt worden, dass es in jedem Stadtteil (Barrio) konkrete Pläne gibt, wer wann welche schutzbedürftigen Menschen (insbesondere Ältere, Schwache, Kranke oder Kinder) in welche Schutzeinrichtungen bringt. Das bedeutet, dass Tausende, vorher gut ausgebildeter Helfer, rechtzeitig mobilisiert werden.

Das bedeutet auch, dass dort, wo erforderlich, die notwendigen Transportmittel von der kubanischen Revolution (vom Staat) kostenlos zur Verfügung gestellt werden und dass tausende KatastrophenhelferInnen ausgebildet wurden und frühzeitig Rettungsmannschaften mobilisiert werden.

Im Vorfeld des Sturms wurden 1,86 Millionen der rund 11,2 Millionen Kubaner evakuiert, die meisten kamen bei Familienangehörigen oder Nachbarn unter. Von den über 51.000 Touristen, die sich in den Hotels entlang der kubanischen Nordküste befanden, wurden rd. 35.000 ebenfalls evakuiert.

Nach dem Hurrikan

Aus Angaben der kubanischen Zivilverteidigung gab es folgende Auswirkungen von "Irma":

- verloren 12 Menschen ihr Leben, sieben davon in Havanna, die weiteren in anderen Provinzen

- wurden fast 160.000 Häuser beschädigt, rund 10 % vollständig

- wurden 980 Gebäude des Gesundheitssystems sowie hunderte Schulen durch "Irma" beschädigt

- fiel für einige Tage die Strom- und Wasserversorgung fast vollständig aus (3.618 Strommasten, 1.379 Transformatoren und 2.176 Kilometer Stromkabel wurden beschädigt.)

- wurden 20 Raffinerien beschädigt, jedoch traten an den massiven Gebäuden hauptsächlich Dachschäden auf

- wurden in der Landwirtschaft insgesamt rund 95.000 Hektar Nutzfläche verwüstet, davon allein 20.000 Hektar Bananenplantagen (466 Farmen und Kooperativen waren betroffen)

- wurden im Zuckersektor rund 338.000 Hektar an Anbaufläche in Mitleidenschaft gezogen

- wurden etwa 240.000 Telefonleitungen, rd. 1.400 Datenleitungen und ca. 300 Handymasten in Mitleidenschaft gezogen

- wurden 537 Kilometer Straße beschädigt und müssen wieder instandgesetzt werden.

Beschädigtes Gebäude in Vedado

Beschädigtes Gebäude in Vedado, dem Universitätsviertel Havannas
Foto: Marion Leonhardt

Die Aufgabe des kämpfenden Volkes

Katastrophenschutz ist in Kuba nicht nur eine staatliche Aufgabe, sondern eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, oder wie Raul Castro es formulierte: "… die Aufgabe des kämpfenden Volkes". Die im Vorfeld des Hurrikans "Irma" mobilisierten Einheiten des Zivilschutzes, der Rettungsbrigaden des Innenministeriums, der Feuerwehr, der Polizei und Soldaten der revolutionären Streitkräfte waren bei den Aufräumarbeiten unermüdlich im Einsatz. Reparatureinheiten begannen unmittelbar nach dem Abklingen des Sturms mit der Instandsetzung der Strom- und Wasserleitungen. Diese wurden von tausenden freiwilligen HelferInnen ohne Unterbrechung in allen betroffenen Provinzen unterstützt.


Auf Grund dieses Engagements war es möglich, dass nach zwei bis drei Wochen wieder so etwas wie Normalität einkehrte. Die Wiederherstellung der Infrastruktur, der beschädigten Straßen und Gebäude werden Monate dauern und erfordern umfangreiche Investitionen.

Zur Beschleunigung der Reparaturen der Wohngebäude hat die kubanische Regierung ein Sonderprogramm aufgelegt. Für betroffene Familien wird die Finanzierung der Kosten für erforderliche Baumaterialien und Konsumgüter zu 50 Prozent über den Staatshaushalt ermöglicht. Weitere Optionen, wie die Finanzierung der verbleibenden 50 Prozent über zinslose Kredite, wurden geschaffen. Personen mit geringem Einkommen können darüber hinaus weitere Zuschüsse erhalten.

"Ein Prinzip bleibt unverändert: Die Revolution wird niemanden schutzlos lassen, und es werden bereits Maßnahmen ergriffen, damit keine kubanische Familie ihrem Schicksal überlassen bleibt." (Raul Castro)

Die reparierten Bauernhöfe und Kooperativen bestellen ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen insbesondere mit schnell wachsendem Gemüse, um die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln so schnell wie möglich wieder zu verbessern.

Die Kosten für den Wiederaufbau der Infrastruktur übersteigen die Möglichkeiten des Landes. Unter anderem durch die menschen- und völkerrechtswidrige US-amerikanische Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die seit 55 Jahren besteht.

Aus der ganzen Welt hat Kuba Hilfe und Unterstützung bekommen. Zahlreiche Länder und Organisationen unterstützen die Hurrikanopfer in Kuba. Der russische Präsident Wladimir Putin war einer der ersten Staatschefs, die finanzielle Hilfe zugesichert haben.

Nicht nur befreundete lateinamerikanische Länder wie Bolivien, Nicaragua und Venezuela, sondern auch die rechtskonservativen Regierungen aus Argentinien, Kolumbien, Mexiko und Panama erklärten sich zur Unterstützung bereit.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurde unverzüglich zu Spenden für die Soforthilfe der Opfer des Hurrikans "Irma" aufgerufen. Alleine auf dem Spendenkonto der Freundschaftsgesellschaft BRD – Kuba e. V. sind bisher rund 150 000 € eingegangen.

Ich nutze die Gelegenheit, mich bei allen Spender*innen herzlich für diesen Akt der Solidarität zu bedanken.

"Solidarität heißt, das zu teilen, was vorhanden ist und nicht, das abzugeben, was übrig ist."

Insbesondere zur Beseitigung der schweren Schäden, die der Hurrikan "Irma" hinterlassen hat, braucht Kuba auch unsere finanzielle Hilfe weiterhin.

CUBA LIBRE Peter Knappe

CUBA LIBRE 1-2018