Kritische Bilanz auf dem Wege des beschlossenen Kurses

Der Bericht der Parteiführung der PCC bestätigte einige grundlegende Aussagen ihres Ersten Sekretärs auf dem vorangegangenen VI. Parteitag in denen er bekräftigte, dass es nicht wieder geschehen dürfe, dass wichtige Festlegungen für die Entwicklung des Landes in Vergessenheit oder in die berüchtigten Schubladen geraten. Dieser konsequente, zielgerichtete Arbeitsstil Raul Castros kam auch bereits am Beginn seines Referats auf dem VII. Parteitag zum Ausdruck, auf dem er in aller Offenheit darlegte, dass die hohen Ziele zur Realisierung der Beschlüsse des VI. Parteitages nicht ganz erreicht werden konnten.

Dafür wurden subjektive Gründe, wie eine verschiedentlich noch immer vorhandene veraltete Mentalität, wie Trägheit und geringer Glaube an die Zukunft, sentimentale oder nostalgische Gefühle aus der Zeit der Existenz der Sowjetunion und des Sozialismus in Europa in besonders schweren Momenten des revolutionären Prozesses, oder auch verborgene Hoffnungen, dass der Kapitalismus die komplizierten Wirtschaftsprobleme überwinden könne. Es ist nicht zu unterschätzen, dass eine schnelle Verwirklichung der grundlegenden strukturellen Maßnahmen zur Modernisierung des kubanischen Wirtschaftsmodells im starken Maße von den negativen Wirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise und der noch immer andauernden US-Blockade beeinflusst wird. Gerade die mit der Annäherung der Beziehungen zu den USA in verschiedenen Kreisen entstandenen Illusionen schlugen in Enttäuschungen um.

Kritische Bilanz – aber positive Tendenzen

Die kritische Bilanz des Modernisierungsprozesses im Rechenschaftsbericht wird dadurch relativiert, dass im Jahr zuvor, 2015, beeindruckende Ergebnisse erzielt wurden, die die Möglichkeiten Kubas für die perspektivischen Aufgaben in das richtige Licht gesetzt haben. Das Wirtschaftswachstum betrug etwa 4 %, verglichen mit dem durchschnittliche Wachstum von 2,4 % für den Zeitraum 2009–2014, wodurch sich nach Berechnungen der UN Wirtschaftskommission für Lateinamerika, der Inselstaat mit seinen begrenzten Ressourcen auf den 6. Rang - unter den 33 lateinamerikanischen und karibischen Staaten platzierte. (diese Region hatte 2015 einen Rückgang von 0,4 %).

Finanzen neu geordnet

Große Erfolge erzielte Kuba in seiner Politik zur Ordnung der äußeren Finanzen,so mit den für Kuba günstige Verhandlungen mit dem Club von Paris, mit Mexiko und Russland. Diese Ergebnisse erhöhten das Vertrauen der internationalen Finanzwelt in Kuba und erleichterten die Möglichkeiten, neue Kredite aufzunehmen. Das hatte natürlich eine große Bedeutung für eine Verbesserung der Liquidität der Unternehmen, die entsprechend ihrer Erfordernisse nun dringend benötigte Zulieferungen importieren können.

Fortschritte in vielen Wirtschaftsbereichen

Beachtenswert ist die mit der Realisierung der Leitlinien angestrebte Verbesserung der qualitativen Zusammensetzung der Produktion. Von der vier-prozentigen Steigerung im vergangenen Jahr kamen 61,2 % aus der Sphäre der materiellen Produktion. Der größte Fortschritt gelang bei den Investitionen, die ein Wachstum von 46,1 % erreichten. Das zeigte sich u. a. auch darin, dass die Steigerungsraten der Industrieproduktion erstmals mit 10 % sehr hoch sind. Auch die Landwirtschaft erzielte trotz einer extremen Trockenperiode mit 3,1 % ein unerwartet hohes Wachstum

Auch andere Wirtschaftszweige haben im vergangenem Jahr nach der erfolgten Umstellung auf die neuen Anforderungen des sozialistischen Modells bei aller Kompliziertheit des Prozesses Fahrt aufgenommen und bereits beachtliche Zuwächse erzielt – so z. B. das Bauwesen (*22,6 %) oder die Reduzierung des Energieverbrauchs. Die Beschäftigung im staatlichen Sektor reduzierte sich weiter, die Arbeitsproduktivität stieg um 6.7 %. Die Voraussagen für die kommende Zeit stimmen optimistisch.Sehr erfolgreich hat der Tourismus zur Verbesserung der Devisenbilanz beigetragen. Mit über 3,5 Millionen Touristen wuchs er um 18 % verglichen mit 2014. Auch der Export von Rohzucker (eine Produktion von über 1,2 Millionen Tonnen) erhöhte den Anteil an der Verbesserung der Devisenbilanz. Obwohl sich der Nickelpreis auf dem Weltmarkt beträchtlich verringerte, konnten die für Kuba entstandenen Verluste in der Außenhandelsbilanz im wesentlichen ausgeglichen werden.

Parteitag mit Tragweite

Der VII. Parteitag ist in seiner erwarteten Tragweite aber noch nicht beendet. Da es um die weitere Gestaltung der sozialistischen Zukunft in Kuba geht, wurde gleich nach dem VI.Parteitag mit der Vorbereitung der entsprechenden Strategie begonnen. Die Entwürfe wurden nochmals auf zwei Plenartagungen des Zentralkomitees (Dezember 2015 und Januar 2016) diskutiert und abgeschlossen. Die Problematik der Perspektive des kubanischen Sozialismus wurde eigentlich schon auf jeder wichtigen Tagung der zuständigen Gremien erörtert - Sei es der Partei oder des Staates. Allein die Analyse des Prozesses der Umsetzung der vom VI. Parteitag beschlossenen Leitlinien offenbarte, welche gewaltigen und auch komplizierten Aufgaben schon bewältigt wurden und welche künftig noch zu lösen sind. Allein die nun dringend zu beseitigende Doppelwährung steht wie eine Wand vor den Planern der Wirtschaftspolitik. Die neuen Strukturen in der Industrie, in der Lebensmittelproduktion, in der Landwirtschaft und vor allem im Handel erfordern nachhaltig wirkende Regelungen. Es verwundert nicht, dass die auf dem VII. Parteitag erfolgte Aktualisierung 274 Leitlinien betraf. Es ist durchaus verständlich, das die Parteiführung erneut fordert, weiterhin die Realisierung der Politik zur Erneuerung der sozialistischen Gesellschaft – ohne Hast, aber ohne Pause – durchzuführen.

Frauenförderung in die Verfassung

Der Bericht über die Erfüllung der Aufgaben aus der Ersten Nationalen Parteikonferenz wurde ebenfalls debattiert und es wurden Entscheidungen beschlossen, die demnächst in die Verfassung des Landes aufgenommen werden sollen: So z. B. die Förderung der Frauen und Menschen mit dunkler oder gemischter Hautfarbe.

Breite Debatte über Plan zur Sozialen Entwicklung vereinbart

VI. Parteitag der PCC

VI. Parteitag der PCC, Foto: Ismael Francisco / Cubadebate

Der Parteitag bestätigte die Beschlussvorlagen für die eigentlichen Hauptlinien der Entwicklung des Landes: das Konzept der Wirtschafts- und Sozialmodells und die Grundlagen des Nationalen Plans für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung bis 2030. Um diese beiden Projekte Ende des Jahres vom Zentralkomitee beschließen zu können, wurde vorgeschlagen, mit den Mitgliedern der Partei, des Jugendverbandes, Vertretern der Massenorganisationen und verschiedenen Sektoren der Gesellschaft eine breite, demokratische Aussprache über diese programmatischen Dokumente zu führen.

Um diese Aussprachen sachkundig durchführen zu können, wurde festgelegt, dass diejenigen, die diese Diskussionen zu führen haben, vorher gründlich geschult werden müssen. Damit soll gewährleistet werden, dass die komplizierten Entwicklungsprobleme auch vom ganzen Volk verstanden werden.

Auch in diesem Beschluss ist ein Grundprinzip des demokratischen Führungsstils der Kommunistischen Partei zu erkennen.

Schließlich wurden noch angesichts der demografischen Entwicklung der kubanischen Partei und Gesellschaft Beschlüsse zur Begrenzung des Alters auf 60 Jahre für bestimmte Wahlfunktionen gefasst – wie von der Ersten Parteikonferenz vorgegeben.

CUBA LIBRE Heinz Langer

CUBA LIBRE 3-2016